Agave havardiana (W. Trelease 1912)

 
 
 
 
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Beschreibung:

 

Synonyme: keine, jedoch wurden die Pflanzen in der Vergangenheit fälschlich mit Agave applanata und Agave scabra bezeichnet (siehe unter Bemerkungen);
Heimat: Nördl. Mexiko (nordöstl. Chihuahua und nördl. Coahuila) und südwestl. USA (südwestl. Texas; nach F. Hochstätter (2015) auch in New Mexico); am Fuß der Guadalupe Mountains, sowie etwa von südl. von Balmorhea und südl. von Fort Stockton (Texas) gen Süden und Südwesten (u. a. in den Chinati, Chisos, Davis, Glass und Madera Mountains) bis ins nördliche Mexiko (nordöstl. von Juan Aldama (Chihuahua) und in der Umgebung der Sierra del Carmen (Coahuila)), auf Ebenen, Hügeln und felsigen Hängen, offen auf Grasland oder zwischen Büschen, sowie in trockenen Flussläufen und als Unterbewuchs lichter Wälder, meist auf Substraten mit / aus Kalkstein, in ca. 1200m-2200m Höhe;
Wuchsform: einzeln oder selten mit wenigen Ablegern, (mäßig bis recht) offen, bis 80cm hoch und bis 1,6m im Durchmesser; Blätter meist hell- bis bläulich-grau (selten hellgrün bis gelblich), eiförmig, spitz zulaufend, nahe der Basis am breitesten, darüber oft leicht verengt und dann nahe der Mitte nochmal breiter, schräg aufrecht bis (im Alter) ausgebreitet, gerade oder leicht nach oben und zur Spitze hin manchmal leicht zur Seite gebogen, meist leicht bis deutlich rinnig, starr, die Ränder alle 1,5cm-2cm mit nahe der Spitze meist geraden (selten zur Spitze hin gebogenen) und darunter fast geraden oder häufig zur Basis hin (teils einzelne zur Spitze hin) gebogenen, nahe der Spitze bis zu 1cm großen und darunter oft kleiner werdenden Randzähnen besetzt, in einen kräftigen, geraden oder manchmal hin und her gebogenen, deutlich eingekerbten und auf der Unterseite leicht gekielten, bis zu 5cm (selten bis zu 10cm) langen, dunkelbraunen oder schwarzen bis gräulichen Enddorn auslaufend, bis ca. 60cm lang und bis 20cm breit;
Infloreszenz: (schräg) aufrecht oder (selten) aufsteigend, rispig, die obere Hälfte mit 12-20 Zweigen, diese an ihren Enden mehrfach geteilt und einen großen, dichten Blütenbüschel tragend, bis 4m hoch;
Blüte: gelb, schlank trichterförmig, mit sehr kurzen "Blütenblättern" (Tepalenzipfeln), bis 8,8cm lang; die Knospen oft (insb. zur Spitze hin) leicht rötlich überhaucht; die Blütezeit am heimatlichen Standort beginnt (in den niedrigen Lagen) im April und reicht (in den hohen Lagen) bis in den Oktober;
Frucht: länglich, bis 5,5cm lang und bis 2cm im Durchmesser; Samen schwarz, bis 7mm lang und bis 5mm breit;
Bemerkungen:

Besucht man die Chisos Mountains im Big Bend National Park, so trifft man zwangsläufig auf die hier vorgestellte, recht attraktive Art mit ihren großen, eher offenen und meist hell- bis bläulich-grauen Rosetten. Doch nicht nur hier, sondern auch auf vielen weiteren Bergzügen des südwestlichen Texas (und bis ins angrenzende Mexiko hinein) kann man Agave havardiana begegnen. Allerdings gibt es im südwestlichen und westlichen Texas und auch im angrenzenden Mexiko weitere Agaven, die der hier vorgestellten Art durchaus ähnlich sehen können, weshalb eine Unterscheidung nicht immer ganz einfach ist. So schließt sich (nach Fig. 19.7 in H. S. Gentry (2003), S. 530) das Verbreitungsgebiet von Agave x gracilipes (*) nordwestlich an das Hauptverbreitungsgebiet von Agave havardiana (**) an. Zudem ist Agave havardiana am Fuß der Guadalupe Mountains von Agave x gracilipes und Agave neomexicana umgeben. Darüber hinaus findet sich innerhalb des Verbreitungsgebiets von Agave havardiana (auch in den Chisos Mountains) mit Agave x glomeruliflora eine weitere Agave hybridogenen Ursprungs - wahrscheinlich handelt es sich hierbei um eine Hybride zwischen Agave havardiana und Agave lechuguilla (***) - mit der sie sich zu allem Überfluss auch noch kreuzt, wodurch Übergangsformen entstehen, die kaum noch von "reinen" Agave havardianas zu unterscheiden sind. Somit stellt sich die Frage, wie sich die hier vorgestellte Art von den anderen unterscheiden lässt - ein Problem, dass bereits W. Trelease gehabt haben dürfte, zumal er als Typstandort ausgerechnet den Standort am Fuß der Guadalupe Mountains wählte, an welchem nicht auszuschließen ist, dass es zur Hybridisierung mit den beiden anderen, hier vorkommenden Agaven (Agave neomexicana und Agave x gracilipes) kommt (****).

Tatsächlich wurde Agave havardiana zunächst nicht als eigene Art erkannt. So hielt man die Pflanzen lange für die in Nordmexiko (und bis ins südliche Texas hinein) weit verbreitete und sehr formenreiche "Agave scabra" (ein Synonym von Agave asperrima), die jedoch (nach H. S. Gentry (2003)) in die Gruppe der Americanae gehört (und nicht zu den Parryanae, wie Agave havardiana). Erst W. Trelease erkannte die Unterschiede und beschrieb die Pflanzen im Jahr 1912 als Agave havardiana. Trotzdem setzte sich der Name in der Literatur zunächst nicht durch. So hielt sich noch bis in die 1980er Jahre die Ansicht, es handle sich bei den Pflanzen um "Agave scabra". Andere Autoren stellten die Pflanzen hingegen zu der in Nord- und Zentral-Mexiko weit verbreiteten Agave applanata (J. L. Hawker (2016)) (wie auch Agave neomexicana und Agave parryi, die beide als Varietäten zu Agave applanata gestellt wurden). Inzwischen hat sich jedoch die Ansicht durchgesetzt, dass es sich bei Agave havardiana um eine gute, eigenständige Art handelt.

Kennzeichnend für die hier vorgestellte Art sind die Blätter mit ihren breiten Blattbasen und den (meist) zurückgebogenen Zähnen, sowie die sehr langen Blüten mit ihren kurzen Tepalenzipfeln (H. S. Gentry (2003)). So unterscheidet sich Agave havardiana von der teils recht ähnlichen Agave neomexicana (u. a.) durch den offeneren Wuchs, die größeren Rosetten mit eher weniger, jedoch längeren und breiteren Blättern (bis 60cm lang und bis 20cm breit statt bis 45cm lang und bis 12cm breit) mit größeren Randzähnen (bis 1cm statt bis 7mm lang), die längeren Blüten (bis 8,8cm statt bis 6,7cm lang) und das - von den Guadalupe Mountains abgesehen - weiter südlich gelegene Verbreitungsgebiet. Ähnlich ist zudem Agave x gracilipes, von der sich Agave havardiana jedoch (u. a.) durch weniger, aber deutlich längere und breitere Blätter (bis 60cm lang und bis 20cm breit statt bis 30cm lang und bis 7cm breit), den größeren Blütenstand (bis 4m hoch statt bis 2,5m) mit deutlich größeren Zweigen und Blütenbüscheln, sowie die deutlich längeren Blüten (bis 8,8cm lang statt bis 5,5cm) und das - von den Guadalupe Mountains abgesehen - weiter südlich bis südöstlich gelegene Verbreitungsgebiet unterscheidet (H. S. Gentry (2003), S. 526 ff.). Erwähnenswert ist zudem Agave x glomeruliflora, an der (wie bereits geschrieben) Agave havardiana sehr wahrscheinlich als Elternteil beteiligt ist. Von dieser unterscheidet sich Agave havardiana (u. a.) durch die meist hell- bis bläulich-grauen (statt hell- bis gräulich-grünen), längeren und deutlich breiteren (bis 60cm lang und bis 20cm breit statt bis 50cm lang und bis 10cm breit) Blätter, den eher kleineren (bis 4m hoch statt 4m-6m), jedoch deutlich breiter verzweigten (statt ährenförmig aussehend und mit zahlreichen, jedoch sehr kurzen Zweigen) Blütenstand und die wesentlich längeren Blüten (bis 8,8cm lang statt bis ca. 4,5cm) (T. Boeuf et al. (2017), S. 59, H. S. Gentry (2003), S. 142 ff. und M. Greulich in Wüga Nr. 6 (2016), S. 19 ff.). Allerdings weist J. L. Hawker (2016) darauf hin, dass es zwischen Agave x glomeruliflora und Agave havardiana bisweilen zu Rückkreuzungen kommt, die dann oft nur schwer von der hier vorgestellten Art zu unterscheiden sind (J. L. Hawker (2016), S. 57) (womöglich handelt es sich bei der auf den Bildern 11 + 12 gezeigten Pflanze um solch eine Rückkreuzung).

In Kultur gilt Agave havardiana als eine der frosttolerantesten Agaven überhaupt. So verträgt die Art nach T. Boeuf et al. (2017) bis zu -20°C und nach G. Starr (2012) verlässlich bis -18°C - und vereinzelt sogar bis -29°C. Allerdings sollte das Substrat während der Überwinterung vollkommen trocken sein, weshalb die Pflanzen bereits im Herbst einen Regenschutz erhalten sollten. Agave havardiana wächst in Kultur eher langsam. Zwar soll die Art relativ tolerant gegenüber Schatten sein (J. L. Hawker (2016), S. 57), jedoch bleiben die Pflanzen vor allem dann schön kompakt, wenn sie vollsonnig stehen und nicht zu viel Wasser erhalten (stehen die Pflanzen ungeschützt im Freien, dann sind zusätzliche Wassergaben nur in sehr heißen und trockenen Sommern notwendig). Zudem ist ein durchlässiges Substrat zu bevorzugen, um zu verhindern, dass die Pflanzen faulen (G. Starr (2012), S. 109).

 

(*) Agave x gracilipes ist hybridogenen Ursprungs. Leider sind die Eltern bis heute nicht eindeutig identifiziert, jedoch wird in der Literatur meist vermutet, dass dies eine Hybride zwischen Agave neomexicana und Agave lechuguilla ist (siehe u. a. T. Boeuf et al. (2017), S. 60). Allerdings weist U. Eggli (Hrsg.) (2001) (S. 33) darauf hin, dass Agave neomexicana nur in einem kleinen Teil des Verbreitungsgebiets von Agave x gracilipes vorkommt und daher womöglich andere Agave-Arten (mit) beteiligt sind.

(**) Damit ist das Verbreitungsgebiet ohne den Standort am Fuß der Guadalupe Mountains gemeint.

(***) U. Eggli (Hrsg.) (2001) vermutet, dass es sich hierbei um eine Hybride von Agave lechuguilla und Agave neomexicana und / oder Agave havardiana handelt (H. S. Gentry (2003) nennt zudem Agave x gracilipes; siehe H. S. Gentry (2003), S. 143). Auch bringt er die Idee ins Spiel, dass es sich bei den so bezeichneten Pflanzen um ähnlich aussehende Hybriden mit unterschiedlichen Eltern handeln könnte (U. Eggli (Hrsg.) (2001), S. 33). M. Greulich (in Wüga Nr. 6 (2016), S. 19 ff.) weist darauf hin, dass die Eltern von Agave x glomeruliflora bisher nicht mit Sicherheit identifiziert sind, vermutet jedoch (wie auch T. Boeuf et al. (2017), S. 59), dass es sich hierbei um eine Hybride zwischen Agave lechuguilla und der hier vorgestellten Agave havardiana handelt.

(****) So kritisiert H. S. Gentry (2003) (S. 535), dass das von W. Trelease gewählte Blatt auf einem der Herbarbögen des Typus ("plate 85" der Erstbeschreibung) ziemlich schmal ist und vermutet, dass die Pflanze, von der das Blatt stammt, womöglich Gene von Agave neomexicana in sich trug. Jedoch sei die Beschreibung, die gezeigten Blüten und das Blatt auf "plate 86" eindeutig Agave havardiana.

Literatur: T. Boeuf et al. (2017), S. 64; U. Eggli (Hrsg.) (2001), S. 36; H. S. Gentry (2003), S. 531 ff.; J. L. Hawker (2016), S. 54 ff.; F. Hochstätter (2015), Abs. III, S. 13 f.; G. Starr (2012), S. 106 ff.;