Agave deserti ssp. deserti (Engelmann 1875)

 
 
 
 
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Beschreibung:

 

Synonyme: Agave consociata, Agave deserti var. deserti;
Heimat: Nordwestl. Mexiko (nördl. und zentr. Baja California) und südwestl. USA (südl. California); in einem relativ schmalen Streifen von nördl. von Palm Springs (USA) südl. bis in den südlichen Bereich des Parque Nacional Sierra de San Pedro Matir (am östl. Rand der Berge südl. bis zum Valle Chico) und noch ein Stück weit östl. davon bis zur Kreuzung der Routa 5 mit der Routa 3 (*), auf trockenen Ebenen, Hängen und Hügeln in ca. 90m-1500m Höhe;
Wuchsform: mäßig bis stark sprossend und so dichte, teils sehr große Gruppen mit bis zu 4,5m im Durchmesser bildend, Rosetten kompakt bis (mehr oder weniger stark) ausgebreitet, bis 60cm hoch und bis 75cm im Durchmesser; Blätter (hell- bis bläulich-)grau(-grün), oft mit Querbändern gemustert, (linealisch- bis länglich-)lanzettlich, teils oberhalb der Basis leicht verschmälert (dann nahe der Blattmitte am breitesten), 4x-7x so lang wie breit, aufsteigend bis ausgebreitet, oft nach oben (selten nach unten) gebogen (ältere Blätter bisweilen gerade), dick, starr, (insb. während der Trockenzeit) leicht rinnig, die oft geraden (bis etwas gewellten) Ränder alle 1,5cm-3cm mit bis zu 8mm großen, aus kleinen, warzenartigen Vorsprüngen entspringenden, recht regelmäßig angeordneten, eher leicht abbrechenden, bräunlichen bis grauen Randzähnen besetzt (diese an Jungpflanzen eher etwas kräftiger, im Alter dafür manchmal nur bis 3mm groß), in einen bis zu 4cm langen, kräftigen, auf der Oberseite deutlich eingekerbten, hellbraunen bis grauen Enddorn auslaufend, bis 40cm lang und bis 8cm breit;
Infloreszenz: aufsteigend bis (leicht schräg) aufrecht, rispig, schlank, mit einem (recht) langen, dünnen und mit bis zu 15cm langen, dreieckigen Brakteen besetzten Schaft, im oberen Drittel bis Sechstel mit 6-15 kurzen, schräg aufrecht stehenden Zweigen, an deren Enden kleine, dichte, halbkugelförmige Blütenbüschel sitzen, bis 4,5m hoch;
Blüte: (hell-)gelb, trichterförmig, mit hellgrüner Röhre, bis 6cm lang; die Blütezeit an den Standorten auf der Baja California reicht von April bis Juni (N. C. Roberts (1989)) und in den USA von Ende April bis Juni (J. L. Hawker (2016); so kann man im Anza-Borrego Desert State Park (California, USA) im Mai zahlreiche Pflanzen in Blüte antreffen (G. Starr (2012)));
Frucht: eiförmig bis länglich-oval, bis 5cm lang und bis 1,8cm im Durchmesser; Samen schwarz, bis 4mm lang und bis 5mm breit;
Bemerkungen:

Die hier vorgestellte, nicht immer attraktive Typunterart ist besonders im nördlichen Teil ihres Verbreitungsgebiets ziemlich häufig und bedeckt dort bisweilen ganze Hänge. Dabei ist sie sehr variabel und oft nur schwer von Agave cerulata abzugrenzen (zur Unterscheidung siehe die Bemerkungen bei Agave cerulata ssp. cerulata und Agave cerulata ssp. nelsonii). Wahrscheinlich sind beide Arten nahe miteinander verwandt. Wie nahe ist jedoch offen, da die Studie von A. Navarro-Quezada et al. (in Heredity (2003)) für Agave deserti ssp. deserti kein eindeutiges Ergebnis liefert. So taucht die nördlichste der untersuchten Populationen (La Rumorosa; der Ort liegt auf der mexikanischen Seite der Grenze zwischen Baja California und California (USA)) im Dendrogramm als Schwesterart zu allen anderen, in der Studie untersuchten Populationen auf. Genetisch vergleichsweise nahe verwandt ist zudem die südlichste der untersuchten Populationen von Agave deserti ssp. deserti (ungefähr westlich von San Felipe), die zusammen mit der einzigen, untersuchten Population von Agave deserti ssp. pringlei (die von R. H. Webb + G. Starr (in Haseltonia Nr. 20 (2015)) wieder als eigene Art geführt wird, was nach den Ergebnissen der Studie von A. Navarro-Quezada et al. nur schwer verständlich ist) auf dem nächstgelegenen Ast erscheint. Umso kurioser ist allerdings die Tatsache, dass die dritte der untersuchten Populationen von Agave deserti ssp. deserti (der Standort liegt bei Leyes de Reforma) mitten in der Sektion von Agave cerulata auftaucht (in unmittelbarer Nähe von Agave cerulata ssp. dentiens). Dieses Ergebnis könnte darauf hindeuten, dass es einen Genaustausch zwischen Agave deserti ssp. deserti und Agave cerulata gibt - wobei dies jedoch kein eindeutiger Beleg hierfür ist und die beteiligte Unterart von Agave cerulata unklar bleibt, zumal um Leyes de Reforma keinerlei Vorkommen von Agave cerulata bekannt sind (zwischen dieser und der nördlichsten Population von Agave cerulata ssp. nelsonii im südlichen Teil des Parque Nacional Sierra de San Pedro Matir liegen ca. 80km). Es könnte aber auch sein, dass die Pflanzen falsch bestimmt wurden und dass es sich bei dieser Population in Wirklichkeit um Agave cerulata (ssp. nelsonii?) handelt, was deren Verbreitungsgebiet deutlich nach Norden hin erweitern und Agave deserti wohl als eigenständige Art bestätigen würde. Leider konnte dieses Rätsel bisher nicht geklärt werden. Somit bleibt offen, wie groß die genetische Bandbreite von Agave deserti ssp. deserti wirklich ist (was sich wohl nur durch eine umfangreichere Studie mit einer größeren Anzahl untersuchter Populationen klären lassen wird), weshalb sich bisher auch keine endgültige Aussage darüber treffen lässt, wie nahe Agave deserti ssp. deserti und Agave cerulata nun wirklich miteinander verwandt sind und ob es sich dabei wirklich um zwei eigenständige Arten handelt.

Bereits ein paar Jahre zuvor war Agave deserti ssp. deserti mehrfach Gegenstand wissenschaftlicher Untersuchungen. Während manche der Studien für den Pflanzenliebhaber zu speziell sein dürften (z. B. R. M. Woodhouse et al. (in Am. Jnl. of Bot. 67/8 (Sept. 1980)), liefern andere auch für den Laien interessante Informationen, welche wir hier kurz zusammenfassen möchten:

So erwähnen P. W. Jordan + P. S. Nobel (in Am. Jnl. of Bot. 66/9 (Oct. 1979)), dass Agave deserti ssp. deserti an einem Blütenstand bis zu 65.000 Samen produziert. Allerdings entsteht aus nur einem von 1,2 Millionen Samen eine erwachsene Pflanze. Die Autoren zeigen in ihrer Studie, dass das Überleben eines Sämlings maßgeblich von der Länge der Regenperiode abhängt während der er keimt, denn nur wenn die Regenperiode lang genug ist, vermag der Sämling ausreichend Speichergewebe aufzubauen, um die folgende Trockenzeit zu überstehen. Während des 17-jährigen Untersuchungszeitraums (von 1961 bis 1978) war die Regenperiode in der untersuchten Gegend (Agave Hill, südöstl. von Palm Springs) nur in einem einzigen Jahr lang genug. Besonders wichtig ist dabei auch, dass der Samen im Schutz einer Ammenpflanze keimt, da abseits einer Ammenpflanze die Oberflächentemperaturen in den Sommermonaten zu hoch sind, als dass der Sämling dort überleben könnte. Hinzu kommt, dass im Bereich einer Ammenpflanze dem Sämling (trotz des Wasserbedarfs der Ammenpflanze selbst) über einen längeren Zeitraum ausreichend Feuchtigkeit für Wachstum zur Verfügung stehen dürfte. Im Labor wurden die besten Keimergebnisse übrigens bei einer Temperatur von 21°C erzielt und das schnellste Wachstum der Sämlinge erfolgte in einem Temperaturbereich von ca. 25°C-30°C (Am. Jnl. of Bot. 66/9 (Oct. 1979), S. 1079 ff.).

P. S. Nobel (in Plant Physiology 58 (1976)) erwähnt zudem, dass die durchschnittliche Tiefe der Wurzeln nur 8cm beträgt. Agave deserti ssp. deserti besitzt demnach ein sehr flaches Wurzelsystem, mit dem die Pflanzen auch bei geringen Niederschlagsmengen schnell das verfügbare Wasser aufnehmen können. Die Hauptwachstumszeit von Agave deserti ssp. deserti reicht von November bis April. Durchschnittlich erhöhen die Pflanzen die Anzahl ihrer Blätter um 25%-33% pro Jahr (Plant Physiology 58 (1976), S. 576 ff.).

Agave deserti ssp. deserti eignet sich übrigens auch gut für die Mescal-Herstellung und zur Gewinnung von Fasern. So wurden früher (u. a.) die Blätter, Teile des Blütenstands und die Blüten selbst gekocht und anschließend verzehrt, sowie reife Samen gesammelt und zu Mehl gemahlen. Offenbar war Agave deserti ssp. deserti für die indigene Bevölkerung lange Zeit eines der wichtigsten Nahrungsmittel. Zudem bietet sie zahlreichen Tierarten Nahrung und Schutz (u. a. Insekten, Vögeln und Packratten der Gattung Neotoma) (H. S. Gentry (2003), S. 379 f., J. L. Hawker (2016), S. 47).

In Kultur verträgt Agave deserti ssp. deserti problemlos volle Sonne und hohe Temperaturen. Das Substrat muss sehr durchlässig sein (rein mineralisch mit einer zusätzlichen Drainage aus gröberem Material im unteren Bereich des Topfs funktioniert bei uns gut) und die Wassergaben nicht zu reichlich, da den Pflanzen bei zu viel Feuchtigkeit schnell die Wurzeln abfaulen (in der Natur wächst Agave deserti ssp. deserti in sehr trockenen Gebieten, in welchen (durchschnittlich) nicht mehr als 130 Liter Regen pro Jahr fällt). Nach T. Heller (2003) hält Agave deserti ssp. deserti bei trockenem Stand Temperaturen bis unter -10°C aus.

 

(*) H. S. Gentry (2003) führt auf der Verbreitungskarte von Agave deserti (H. S. Gentry (2003), S. 385, Fig. 15.19) für Agave deserti ssp. deserti einen Standort knapp ostnordöstlich der Kreuzung des 115ten Längen- mit dem 30sten Breitengrad an. Allerdings lässt sich dieser Standort nicht durch die in den Exsiccatae der Deserticolae aufgeführten Aufsammlungen verifizieren (siehe H. S. Gentry (2003), S. 410 f.), weshalb wir diese Angabe als zweifelhaft ansehen.

Literatur: Am. Jnl. of Bot. 66/9 (Oct. 1979), S. 1079 ff.; Am. Jnl. of Bot. 67/8 (Sept. 1980), S. 1179 ff.; T. Boeuf et al. (2017), S. 45; U. Eggli (Hrsg.) (2001), S. 25 f.; H. S. Gentry (2003), S. 376 ff.; Haseltonia Nr. 20 (2015), S. 64 ff. (insb. S. 81 f.); J. L. Hawker (2016), S. 45 ff.; T. Heller (2003), S. 76 f.; Heredity Nr. 90 (2003), S. 220 ff.; F. Hochstätter (2015), Abs. V, S. 9; Plant Physiology 58 (1976), S. 576 ff.; N. C. Roberts (1989), S. 82; G. Starr (2012), S. 84 ff.;