Agave geminiflora (Ker-Gawler 1817)

 
 
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Beschreibung:

 

Synonyme: Agave angustissima (wobei eine Zeit lang Agave colimana und (von einem Autor) Agave filifera ssp. multifilifera (B. Ullrich in KuaS 1/1991, S. 24 ff.) ebenfalls unter diesem Namen geführt wurden; siehe unter Bemerkungen) und var. ortgiesiana (nach H. S. Gentry in CSJ 5/1968 "var. ortigiesiana", jedoch ist dies vermutlich ein Schreibfehler), Agave geminiflora var. atricha, var. knightiana und var. stricta-viridis, sowie unter den Gattungsnamen Bonapartea, Dracaena, Littaea und Yucca;
Heimat: Westl. Mexiko; zentr. Jalisco, sowie südl.-zentr. und südöstl. Nayarit; ca. von nördl. von Ocotillo (ca. 40km südöstl. von Tepic im südl.-zentr. Nayarit) und Santa Maria del Oro südöstl. über La Yesca (in der Sierra de Alica) bis in die Umgebung von El Salvador (Mun. Tequila, zentr. Jalisco), in Eichenwald oder (in der Sierra de Alica bei La Yesca) in Eichen-Kiefern-Erdbeerbaum-Wald, eben und auf felsigen Hängen (oft auf den felsigen Rändern von Bachläufen) in sandigem und steinigem Substrat, manchmal auch direkt auf Fels, in 900m-2150m Höhe;
Wuchsform: einzeln (nur in Kultur selten wenige Ableger bildend), im Alter einen kurzen Stamm ausbildend (nur in Kultur?), oft symmetrisch, dicht, mit einer sehr großen Zahl an Blättern, bis 1m hoch und bis 1,2m im Durchmesser; Blätter (hell- bis dunkel-)grün (bei Trockenheit oder kühlen Temperaturen oft (insb. zur Spitze hin) rötlich) (die hier gezeigten Pflanzen im DBG teils mit einer feinen, weißlichen Zeichnung), linealisch, schräg aufrecht bis ausgebreitet (nur anfangs aufrecht), sich entwickelnde Blätter gerade, jedoch schon sehr bald (oft nach unten) gebogen, im Querschnitt fast rund oder die Oberseite etwas bis recht deutlich abgeflacht (die Pflanze in unserer Sammlung zudem beidseitig mit einem Mittelkiel), glatt, biegsam, die Ränder meist fein abhaarend und (mehr oder weniger dicht) mit feinen, eingedrehten Fasern besetzt (selten nicht abhaarend), abrupt in einen kurzen (bis 7mm langen), pfriemlichen, dunkelbraunen oder fast schwarzen bis grauen Enddorn auslaufend, bis 60cm lang und bis 1cm breit;
Infloreszenz: ährig, mit einem kräftigen Schaft (nahe der Basis bis 12cm im Durchmesser, nach oben hin dünner werdend), die oberen Zweidrittel bis Dreiviertel (in Kultur bis Sechssiebtel) mäßig bis recht dicht mit Blüten besetzt, diese meist paarweise angeordnet (daher der Artname) und - zusammen mit einer schlanken, nach oben zeigenden oder nach oben gebogenen Braktee - aus kleinen "Augen" entspringend, bis 7m hoch;
Blüte: (hell) grünlich(-gelb) und zur Spitze hin (sowie außen) rötlich bis lila, (mehr oder weniger) trichterförmig, die inneren Blütenblätter mit einer deutlichen Mittelrippe, bis 5,2cm lang; die Blütezeit am heimatlichen Standort liegt im Oktober und November;
Frucht: länglich-dreieckig mit einer kurzen Spitze, bis 2cm lang und bis 1cm im Durchmesser; Samen halbkreisförmig, relativ dick, mit einem deutlichen "Randflügel", die Oberfläche unregelmäßig "liniert", bis 4mm lang und bis 3mm breit;
Bemerkungen:

Die hier vorgestellte, sehr attraktive und - im Vergleich zu anderen Agaven - eher ungewöhnliche Art war lange Zeit nur aus einem kleinen Gebiet nördlich von Ocotillo (Nayarit) bekannt. Erst in den letzten Jahren wurden weitere Vorkommen südöstlich davon entdeckt. Ihre nächste Verwandte ist (nach H. S. Gentry (2003)) Agave ornithobroma. Von dieser unterscheidet sich Agave geminiflora jedoch (u. a.) durch den einzelnen Wuchs (Agave ornithobroma sprosst im Alter), ihre größeren, vielblättrigen, oft symmetrischen Rosetten (statt kleiner, mit weniger Blättern und oft asymmetrisch), die kürzeren, kaum bewehrten Blätter (nur bis 60cm statt bis 75cm und mit kräftigerem Enddorn), der dickere, bis zu 7m hohe Blütenschaft (statt schlanker und nur bis 3m hoch), die eher etwas längeren Blüten (bis 5,2cm statt bis 4,8cm) und das weiter südöstlich gelegene Verbreitungsgebiet (südlich-zentrales Nayarit und südöstlich davon statt im nördlichen Nayarit und im südlichen Sinaloa; H. S. Gentry (2003), S. 117 f.). Beide Arten gruppiert H. S. Gentry (2003) bei den "Filiferae" ein.

Tatsächlich ist Agave geminiflora schon seit dem späten 18. Jahrhundert in Europa bekannt. Allerdings waren die Blüten lange unbekannt, weshalb manche Autoren sie für eine Yucca und andere gar für eine "Bonapartea" (eine alte, heute nicht mehr anerkannte Gattung der Bromeliaceae) hielten. Erst als die Art im Jahr 1815 im Garten des Grafen von Litta (in Lainate bei Mailand, Italien) blühte, war eine präzisere Einordnung möglich. So beschrieb Tagliabue sie 1816 als erste Art der von ihm neu geschaffenen Gattung "Littaea". Da sich die Merkmale der Gattung "Littaea" aber vollständig auch in der (älteren) Gattung Agave finden, überführte Ker-Gawler die Art im Jahr darauf schließlich in diese Gattung und schuf so den Namen, unter dem die Art bis heute geführt wird (für Details siehe die Orginal-Artikel der beiden Autoren auf www.agavaceae.com). Etliche Jahre später (im Jahr 1875) wurden die Pflanzen dann von Engelmann unter dem Namen "Agave angustissima" erneut beschrieben. Leider kam Engelmann später zu der Überzeugung, dass eine Aufsammlung von Palmer (# 1070 aus dem Jahr 1890) mit breiteren, steiferen und flacheren Blättern und sehr schlanken Blüten aus Mazanillo (westliches Colima) ebenfalls dieser Art angehöre. In späteren Jahren übernahmen mehrere Autoren diese Ansicht (siehe B. Ullrich in KuaS 1/1991, S. 24 ff.), wobei Trelease 1920 dann ein "var. ortgiesiana" für die Pflanzen mit breiteren Blättern hinzufügte - was ein wenig verwirrend ist, da unter diesem Namen bereits eine (wohl in Kultur entstandene) Form als Varietät von "Agave schidigera" (hier als Agave filifera ssp. schidigera geführt) beschrieben worden war. Womöglich kannte Trelease jedoch den Namensvorschlag von Roezl, der bereits 1870 (20 Jahre vor der Aufsammlung von Palmer) für die Pflanzen aus der Umgebung von Mazanillo den Namen "Agave ortgiesiana" vorgeschlagen hatte, jedoch ohne eine gültige Beschreibung anzufertigen. Im Jahr 1968 beschrieb H. S. Gentry (in CSJ 5/1968) jene Pflanzen schließlich als Agave colimana und beendete so das Namenschaos (*).

Hinzuzufügen ist, dass die von Tagliabue 1816 beschriebene Pflanze aus Samen unbekannter Herkunft gezogen worden war (J. A. Vazquez-Garcia et al. (Hrsg.) (2007)), weshalb die Heimat von Agave geminiflora viele Jahre lang unbekannt blieb (Tagliabue schrieb gar, die Art stamme vermutlich aus Südamerika und habe ihren Weg über Lissabon nach Italien gefunden). Erst im Jahr 1951 entdeckten H. S. Gentry und C. Gilly die Art schließlich im südlich-zentralen Nayarit (CSJ 5/1968). Die Gegend weist ein gemäßigtes Klima mit jährlichen Niederschlägen von rund 1000mm (beginnend im Sommer und bis in den Winter hinein, das Frühjahr ist hingegen eher trocken) auf.

In Kultur ist Agave geminiflora problemlos. Die Art verträgt sowohl sonnige, als auch halbschattige Standorte (je mehr Sonne, desto kleiner und dichter werden die Pflanzen). Zwar bevorzugt sie regelmäßige Wassergaben, verträgt aber auch Trockenperioden gut, wenn diese nicht zu extrem ausfallen. An das Substrat stellt sie keine speziellen Ansprüche. Steht Agave geminiflora ab dem Herbst trocken, dann hält sie für kurze Zeit sogar Temperaturen bis -6°C aus (G. Starr (2012)).

 

(*) Wobei B. Ullrich (in KuaS 1/1991, S. 24 ff.) die Beschreibung von Roezl für ausreichend hält, um den Namen "Agave ortgiesiana" als gültig anzusehen, und zudem die Aufsammlung von Palmer (# 1070) als Neotypus bestimmt (wobei er dies nur im (deutschen) Text schreibt, jedoch nicht noch einmal formell wiederholt). Dem folgen jedoch nur T. Boeuf et al. (2017), während (u. a.) U. Eggli (Hrsg.) (2001), G. Hernández-Vera et al. (in JBRIT 1/1 (2007)) und J. A. Vazquez-Garcia et al. (Hrsg.) (2007) die Pflanzen weiterhin unter dem Namen Agave colimana führen und U. Eggli (Hrsg.) (2001) empfiehlt, den Namen Agave colimana, falls notwendig, formell zur Konservierung vorzuschlagen (U. Eggli (Hrsg.) (2001), S. 22 f.).

Literatur: T. Boeuf et al. (2017), S. 55; CSJ 5/1968, S. 208 ff.; U. Eggli (Hrsg.) (2001), S. 32; H. S. Gentry (2003), S. 112 (Abbs. S. 113 + S. 114); F. Hochstätter (2015), Abs. VIII, S. 49 (ACHTUNG: Die Beschreibung ist falsch; hier wird irgendeine andere Agave-Art beschrieben, jedoch nicht Agave geminiflora!); JBRIT 1/1 (2007), S. 499 ff.; G. Starr (2012), S. 94 ff.; J. A. Vazquez-Garcia et al. (Hrsg.) (2007), S. 38 ff. (insb. S. 52 f.);