Agave gypsophila (H. S. Gentry 1982)

 
 
Agave gypsophila
 
Zum Vergrößern bitte auf das Foto klicken! - Alle Fotos Copyright V. + C. Kettinger
 
 

Beschreibung:

 

Synonyme: keine;
Heimat: Südl. Mexiko; zentr. Guerrero; in der Umgebung von Acahuizotla als Unterbewuchs von Dornwald und tropischem Trockenwald auf und zwischen den Kalkfelsen der Morelos-Formation in ca. 600m-960m Höhe;
Wuchsform: einzeln, offen, bis 1m hoch und bis 2m im Durchmesser; mit ca. 10-11 Blättern, diese (von hell- über dunkel- bis bläulich-)grau-grün, schmal lanzettlich bis schmal dreieckig, häufig nach unten gebogen (selten gerade), leicht bis deutlich rinnig, brüchig, wenig sukkulent, die (stark) gewellten Ränder meist alle 5mm-16mm (selten bis 25mm) mit bis zu 2mm großen Randzähnen besetzt, die aus deutlichen, bis 4mm hohen und bis 6mm breiten, warzenartigen Vorsprüngen entspringen, sowie mit einem bis zu 1,1cm langen, dunkelbraunen Enddorn, meist bis 1m (selten bis 1,25m) lang und bis 19cm breit;
Infloreszenz: rispig, schlank, die obere Hälfte mit wenigen, ausgebreiteten Zweigen, die jeweils nur wenige Blüten tragen, bis 6m hoch;
Blüte: gelb, trichterförmig, bis ca. 3,4cm lang; die Blütezeit am heimatlichen Standort beginnt im Februar und reicht bis in den Juni;
Frucht: länglich, bis 3cm lang und bis 2cm im Durchmesser; reife Früchte finden sich am heimatlichen Standort von März bis Juli;
Bemerkungen:

Die hier vorgestellte, recht ungewöhnliche Agavenart wächst in einer feucht-heißen Gegend mit einer Durchschnittstemperatur von ca. 22°C-26°C und ca. 1500mm-2000mm Niederschlag pro Jahr. Sie ist Teil einer Gruppe recht ähnlicher Agaven, deren Verbreitungsgebiet sich hauptsächlich rund um das Dreiländereck Colima-Jalisco-Michoacan erstreckt, während die Vorkommen von Agave gypsophila (im engeren Sinne) ca. 300km weiter südöstlich liegen. Lange Jahre wurden all diese Pflanzen zu Agave gypsophila gezählt. In der eingehenden Untersuchung jener Pflanzen durch J. A. Vazquez-Garcia et al. (in Systematic Botany (2013)) zeigten sich jedoch Unterschiede zwischen den verschiedenen Populationen, wobei die Merkmale jeweils innerhalb bestimmter Populationen recht einheitlich waren, was die Autoren dazu veranlasste, die Pflanzen rund um das Dreiländereck abzutrennen und als vier eigene, neue Arten zu beschreiben (nämlich als Agave abisaii (südl. Jalisco), Agave andreae (westl. Michoacan), Agave kristenii (westl. Michoacan, jedoch etwas weiter südlich als Agave andreae an der Pazifikküste) und Agave pablocarrilloi (Colima) (*)).

Da diese Aufspaltung noch relativ neu ist, wurde sie in der älteren Literatur natürlich noch nicht berücksichtigt. Entsprechend vorsichtig sollte man mit den dort gemachten Angaben umgehen. So ist uns beispielsweise nicht klar, ob die englische Beschreibung in H. S. Gentry (2003) (welches ein Nachdruck seines Werkes von 1982 ist, in welchem er Agave gypsophila erstbeschrieb) allein auf dem Typus beruht, da er die Standorte in Colima und Jalisco (nun Agave abisaii und Agave pablocarrilloi; letztere zeigt er auch als Bild (Fig. 18.5)) erwähnt. Es könnte daher sein, dass er Merkmale, die nur bei diesen Pflanzen vorkommen, in seine Beschreibung integriert hat. Dies gilt analog auch für B. Ullrich (in KuaS 03/1991), der zudem (recht ausführlich) auf ein Vorkommen in Michoacan eingeht - wobei er H. S. Gentrys Beschreibung um Frucht- und Samenmerkmale ergänzt, aber zum Glück darauf hinweist, dass sich diese auf eine Aufsammlung aus Michoacan beziehen. Dabei zeigen seine Bilder (eine Abbildung der Pflanze und eine von Bulbillen an einem Blütenstand) den Ableger einer Pflanze aus dieser Aufsammlung. Gemäß J. A. Vazquez-Garcia et al. (in Systematic Botany (2013)) handelt es sich hierbei sehr wahrscheinlich um Agave kristenii (**). Und auch in späteren Veröffentlichungen (z. B. bei F. Hochstätter (2015) und T. Boeuf et al. (2017)) werden, neben Guerrero, weitere Bundesstaaten als Verbreitungsgebiet für Agave gypsophila genannt, woran man gut erkennen kann, dass der oder die Autoren (ganz oder in Teilen) noch "auf dem alten Stand" sind (oder den neuen nicht anerkennen?). Wir orientieren uns bei der hier gegebenen Beschreibung daher weitestgehend an den Angaben von J. A. Vazquez-Garcia et al. (in Systematic Botany (2013)) (***).

Übrigens zitieren J. A. Vazquez-Garcia et al. zwei weitere, uns leider nicht vorliegende Artikel, nach welchen der Schaft des Blütenstands von Agave gypsophila beim Bau bäuerlicher Häuser verwendet wird (Systematic Botany (2013), Vol. 38, No. 2 (April-June), S. 326).

Die Kultur von Agave gypsophila sollte sonnig bis halbschattig erfolgen. Entsprechend ihrer Herkunft benötigt die Art regelmäßige Wassergaben. Tiefe Temperaturen (besonders Frost) sollten vermieden werden.

BITTE BEACHTEN: Leider sind wir uns nicht sicher, ob unser Bild aus dem Jardin Exotique de Monaco tatsächlich Agave gypsophila zeigt. So zeigt das Bild eine zum Zeitpunkt des Fotos (im Jahr 2010, also noch vor der Abtrennung der vier von J. A. Vazquez-Garcia et al. (in Systematic Botany (2013)) neu beschriebenen Arten) als Agave gypsophila bezeichnete Pflanze, die dem (wohl ebenfalls in Kultur entstandenen) Bild bei T. Boeuf et al. (2017) stark ähnelt (wobei die dort abgebildete Pflanze wohl etwas größer ist und zudem sprosst - was Agave gypsophila eigentlich nicht tun sollte, was aber bei Agaven in Kultur manchmal durch die Kulturbedingungen ausgelöst wird). Beide Pflanzen stimmen nicht so ganz mit den Pflanzen überein, die J. Etter & M. Kristen auf ihrer Homepage (www.agavaceae.com) als Agave gypsophila zeigen - aber auch nicht mit den dort gezeigten Bildern der vier neuen Arten (Stand 04.01.2019). Gut möglich, dass die Abweichungen gegenüber den Bildern von J. Etter & M. Kristen durch die von den Bedingungen am Standort abweichenden Kulturbedingungen entstanden sind. Oder ist die Art doch variabler als es J. A. Vazquez-Garcia et al. (in Systematic Botany (2013)) darstellen und es handelt sich einfach um zwei leicht abweichende Klone? Oder handelt es sich hierbei gar um Agave pablocarilloi?

 

(*) Wobei es leider kein eindeutiges Merkmal gibt, anhand dessen sich die fünf Arten unterscheiden lassen. Vielmehr sind sie jeweils durch eine individuelle Kombination verschiedener Merkmale charakterisiert. Die Abgrenzung gegenüber den anderen Arten ist somit nicht ganz einfach. Auch würde eine ausführliche Darstellung der Unterschiede hier zu viel Raum einnehmen, weshalb wir hierfür auf die Vergleichstabelle (Table 1) von J. A. Vazquez-Garcia et al. (in Systematic Botany (2013), Vol. 38, No. 2 (April-June), S. 326) verweisen.

(**) Der Herkunft nach handelt es sich eindeutig um Agave kristenii. Allerdings konnten J. A. Vazquez-Garcia et al. (in Systematic Botany (2013)) bei keiner der von ihnen untersuchten Pflanzen dieser Art, weder in der Natur noch in Kultur, Bulbillen beobachten. Die Autoren gehen daher davon aus, dass Agave kristenii eigentlich keine Bulbillen ausbildet (von den untersuchten Arten bildet nur Agave abisaii Bulbillen aus). Als mögliche Erklärung führen sie an, dass Ullrichs Pflanze fast 10 Jahre lang in Deutschland kultiviert wurde bis sie schließlich blühte, und dass der durch die abweichenden Kulturbedingungen verursachte Stress zur Ausbildung der Bulbillen geführt haben könnte (Systematic Botany (2013), Vol. 38, No. 2 (April-June), S. 331).

(***) Wobei wir uns ein wenig über die Charakterisierung der Blätter wundern, die nach der Beschreibung auf S. 326 biegsam ("flexible") sind, während sie im Bestimmungsschlüssel auf S. 321 und der Vergleichstabelle (Table 1) auf S. 324 als fest, aber brüchig ("firm but brittle") beschrieben werden (siehe J. A. Vazquez-Garcia et al. (in Systematic Botany (2013)).

Literatur: T. Boeuf et al. (2017), S. 63 (auch diese Beschreibung beinhaltet noch die vier nun neu beschriebenen Arten); U. Eggli (Hrsg.) (2001), S. 35; H. S. Gentry (2003), S. 510 ff. (nicht Fig. 18.5; dies ist Agave pablocarrilloi); F. Hochstätter (2015), Abs. VI, S. 20; KuaS 03/1991, Karteikarte 1991/8 (die Bilder zeigen Agave kristenii); J. A. Vazquez-Garcia et al. (Hrsg.) (2007), S. 38 ff. (insb. S. 54 f.); Systematic Botany (2013), Vol. 38, No. 2 (April-June), S. 320 ff.;