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Eulychnia iquiquensis (Britton + Rose 1920)

 

        

        

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Kurzbeschreibung:

Synonyme:

Eulychnia aricensis, Eulychnia breviflora ssp. iquiquensis, Eulychnia cephalophora, Eulychnia iquiquensis ssp. iquiquensis und var. pullilana, Eulychnia morromorenoensis, Eulychnia saint-pieana, sowie unter dem Gattungsnamen Cereus;

Heimat:

Nördl. Chile; Antofagasta, Arica y Parinacota, Atacama und Tarapaca; von Arica im Norden südl. bis nahe der Arones-Schlucht ("E. aricensis", siehe unter Bemerkungen), von Iquique südl. bis Blanco Encalada und von nördl. Cifuncho bis Chanaral ("E. saint-pieana"), auf den Westhängen und Gipfeln der Küstenkordillere in bis ca. 1000m Höhe;

Wuchsform:

strauchig oder schlank bis breit baumförmig, basal oder / und darüber (bis in ca. 1,5m Höhe; bei "E. saint-pieana" auch darüber) (reich) verzweigend, teils einen kurzen (selten bis 1,5m hohen) Stamm ausbildend, bis 4m (vereinzelt bis 7m) hoch; Triebe dunkel grau-grün, aufrecht, mit 10-18 Rippen, diese stumpf, durch Querfurchen höckerartig unterteilt (die Areolen sitzen am oberen Ende der Höcker), bis 2cm hoch und bis ca. 1cm breit, bis 10cm im Durchmesser;

Bedornung:

Areolen rundlich, dicht mit anfangs (gräulich-)braunem oder hell- bis schwarz-grauem, jedoch schnell vergrauendem Filz bedeckt (bei "E. morromorenoensis" und "E. saint-pieana" mit langer, abstehender, weißer bis hellgrauer Wolle, die nicht vergraut), bis 1,2cm im Durchmesser; noch nicht blühfähige Triebe mit 10-30 Dornen, diese gerade, abstehend, variabel und nicht in Rand- und Mitteldornen unterscheidbar, die meisten ca. 0,5cm-2cm lang (diese anfangs gelblich bis bräunlich oder dunkelbraun bis schwarz, jedoch schnell (hell) gräulich werdend), jedoch 1-4 der mittleren deutlich kräftiger und bis 15cm lang (diese zunächst graubraun bis schwarz, jedoch ebenfalls schnell (hell) gräulich werdend); an blühfähigen Trieben die Areolen dichter stehend und alle Dornen zunehmend borstenförmig (insb. bei "E. aricensis", "var. iquiquensis" und besonders bei "E. morromorenoensis", die an alten, ausgewachsenen Triebspitzen ein bis ca. 5cm langes Pseudocephalium ausbildet, indem dort die Areolen ganz eng zusammenrücken und die Dornen vollständig durch weiche, haarartige, weiße bis gelbe oder schwarze Borsten ersetzt werden; bei "var. pullilana" sind die Unterschiede dagegen weniger stark ausgeprägt);

Blüte:

weiß (bei "E. aricensis" und "E. saint-pieana" manchmal leicht rosa), teils mit rötlich-braunen Spitzen, glockenförmig, die Röhre dicht mit weiß(lich)er (selten gelblicher bis bräunlicher oder grauer) Wolle bedeckt, teils schwach duftend, nahe dem Scheitel (oder wenig tiefer) älterer Triebe erscheinend, bis 7,5cm lang und bis 7cm im Durchmesser (jedoch oft kleiner);

Frucht:

kugelig bis leicht birnenförmig, grün (bei "E. aricensis" rötlich-grau), dicht mit weiß(lich)er (selten gelblicher bis bräunlicher oder grauer) Wolle bedeckt, mit saftigem, saurem, weißem bis rosafarbenem Fruchtfleisch (bei "E. saint-pieana" orange, wenig saftig und geschmacklos), bis 8,5cm lang und bis 6,5cm im Durchmesser; Samen matt (grau-)schwarz, ca. 1,7mm lang, 1mm breit und 0,5mm dick;

Bemerkungen:

Diese interessante, jedoch wenig beachtete Art ist eine der Pflanzenarten, die sich erfolgreich an das extrem trockene Klima im nördlichen Chile angepasst haben. Ihr Überleben hängt maßgeblich von der Bildung des "camanchaca" ab, des Nebels, der sich vor allem in den Wintermonaten an den Hängen der Küstengebirge bildet. Dieser reduziert nicht nur die Sonnenstunden, sondern ist oft für lange Zeit die einzige Feuchtigkeitsquelle in einer Region, in der oft über mehrere Jahre hinweg kein einziger Tropfen Regen fällt. Diese Abhängigkeit könnte in Zukunft zu einer Gefahr für den Fortbestand der Art werden, denn in den letzten Jahrzehnten hat sich in Teilen des Verbreitungsgebiets die Nebelbildung deutlich reduziert. So sahen wir auf unserer Reise im Jahr 2012 in der Umgebung von El Cobre (südl. von Antofagasta) tausende Skelette abgestorbener Eulychnien. Vielleicht gibt es ja noch einige intakte Vorkommen in höheren Lagen, in den von uns besuchten, niedrigen und mittleren Lagen fanden wir jedenfalls keine einzige lebendige Pflanze mehr (gleiches gilt für Deuterocohnia chrysantha, und auch Copiapoa solaris hat in diesem Gebiet mit den gleichen Problemen zu kämpfen, auch wenn diese Art hier noch vereinzelt anzutreffen ist). Aus taxonomischer Sicht hat Eulychnia iquiquensis hingegen eine wenig bewegte Vergangenheit. So beschrieb K. Schumann die Pflanzen im Jahre 1904 als "Cereus iquiquensis". 16 Jahre später erfolgte dann die Umkombination zur Gattung Eulychnia durch Britton + Rose. Anschließend wurde es lange Zeit ruhig um die Art. Dies änderte sich erst mit F. Ritter, der in den Jahren 1957 bis 1980 mehrere Populationen (zumeist als eigene Arten) neu beschrieb. Im Zuge der Neuordnung der Kakteenwelt in den letzten 20 Jahren diente der Name dann lange Zeit als "Sammelbecken" für Populationen, die sich nicht anders einordnen ließen - ob zu Recht ist bis heute umstritten. Möchte man die verwandtschaftlichen Zusammenhänge verstehen, so ist es auch hier wieder notwendig, die Entwicklungslinien innerhalb der Gattung Eulychnia zu betrachten, beginnend mit der nördlichsten Art der Gattung: Eulychnia ritteri. Das Vorkommen dieser Art liegt nahe Chala im südlichen Peru. Sie ist damit die einzige Eulychnia, die außerhalb Chiles vorkommt. Dies ist insofern bemerkenswert, als dass diese Art offenbar nahe mit Eulychnia iquiquensis verwandt ist, obwohl zwischen ihr und der (gen Süden) nächsten Population bei Arica eine Verbreitungslücke von ca. 500km klafft. Womöglich war Eulychnia iquiquensis einst bis nach Peru hinein verbreitet, jedoch könnten veränderte Klimabedingungen zur Isolation dieser Pflanzen geführt haben. Passend zu dieser Theorie stellt D. Hunt (2006) Eulychnia ritteri als Unterart zu Eulychnia iquiquensis (obwohl er auch Gemeinsamkeiten mit Eulychnia breviflora sieht). Wir folgen hier jedoch E. F. Anderson (2005), der Eulychnia ritteri als eigenständige Art behandelt. Diskussionswürdig ist auch die Einstufung der nächsten Population. So beschrieb F. Ritter im Jahr 1964 die bereits angesprochene Population zwischen Arica und der Arones-Schlucht (die wir auf unserer Karte nicht finden können; womöglich wollte Ritter "Camarones-Schlucht" schreiben, also die Schlucht des Rio Camarones) als "E. aricensis". Dies ist die nördlichste der Populationen, die aktuell zu der hier vorgestellten Eulychnia iquiquensis ("E. iquiquensis ssp. iquiquensis" im Sinne von D. Hunt (2006)) gerechnet werden, obwohl zwischen dieser und dem Hauptvorkommen (südlich von Iquique) erneut eine Verbreitungslücke von ca. 100km klafft. (Daher wäre es durchaus verständlich gewesen, wenn D. Hunt die Pflanzen ebenfalls in den Rang einer Unterart erhoben hätte.) So weist E. F. Anderson (2005) darauf hin, dass "E. aricensis" womöglich den Status einer eigenständigen Art verdient hätte, jedoch liegt das Verbreitungsgebiet der Population in einem militärischen Sperrgebiet, weshalb eine eingehende Untersuchung der Pflanzen nicht möglich ist. Von Iquique aus erstreckt sich dann das Hauptverbreitungsgebiet von Eulychnia iquiquensis gen Süden, wobei F. Ritter die Populationen zwischen Iquique und Antofagasta als "var. iquiquensis" und die Populationen zwischen Antofagasta und Blanco Encalada als "var. pullilana" bezeichnet. Zudem beschreibt er "E. morromorenoensis" vom gleichnamigen Berg bei Antofagasta. Das auffälligste Merkmal dieser Population ist die starke Bewollung der Areolen (ähnlich "E. saint-pieana"), darüber hinaus sind die Unterschiede jedoch gering. Südlich von Blanco Encalada wird es dann erneut kompliziert, denn dort schließt sich das Verbreitungsgebiet einer Gruppe von Pflanzen an, die F. Ritter (1980) als "E. breviflora var. taltalensis" beschrieb. Im Gegensatz zu F. Ritter sahen die meisten Autoren in der Folge jedoch eine engere Verwandtschaft mit Eulychnia iquiquensis. So behandelt E. F. Anderson (2005) "E. breviflora var. taltalensis" als Synonym von Eulychnia iquiquensis, während D. Hunt (2006) die Pflanzen im Textteil nicht erwähnt, jedoch in Abb. 11.2 eine der Pflanzen als Eulychnia iquiquensis abbildet. Im Jahr 2011 erhebt P. Hoxey (in CSJ 4/2011) diese Pflanzen schließlich in den Rang einer eigenen Art (Eulychnia taltalensis). Folgt man dieser Ansicht, so entsteht dadurch eine weitere Verbreitungslücke von ca. 90km. Südlich davon, in der Umgebung von Cifuncho, beginnt dann das Verbreitungsgebiet von "E. saint-pieana". Dies ist die wohl am besten bekannte und mit ihrer langen, weißen Areolenwolle wohl auch die auffälligste der Populationen, die aktuell zu Eulychnia iquiquensis gerechnet werden. Ihr Verbreitungsgebiet erstreckt sich über den bekannten Parque Nacional Pan de Azucar bis in die Umgebung von Chanaral. Südlich davon erfolgt dann mit "E. barquitensis" (siehe dazu die Bemerkungen bei Eulychnia breviflora) der Übergang hin zu Eulychnia breviflora, die (im engeren Sinne) mit "var. tenuis" nördlich von Caldera ihr nördlichstes Vorkommen hat. So stellt sich nun natürlich die Frage, ob das Heraustrennen von Eulychnia taltalensis als eigene Art gerechtfertigt ist. P. Hoxey (in CSJ 4/2011) gibt als Begründung dafür an, dass die Areolen von Eulychnia taltalensis lediglich dunkelbraunen Filz aufweisen, jedoch nicht die lange, dichte, weiße Wolle wie bei Eulychnia iquiquensis. Außerdem sei die Wolle der Blütenröhre und der Früchte dunkelbraun, während sie bei Eulychnia iquiquensis hell sei. Zudem seien Sämlinge gut unterscheidbar, da diese bei Eulychnia taltalensis schneller wachsen, dabei schlanker bleiben und weniger Rippen ausbilden. Jedoch kommt die dichte Bewollung der Areolen nur bei "E. morromorenoensis" und "E. saint-pieana" vor, während die Areolen der typischen Eulychnia iquiquensis (F. Ritters "var. iquiquensis") ebenfalls braunfilzig sind. Richtig ist hingegen, dass die Wolle an Blütenröhre und Frucht bei Eulychnia iquiquensis eher hell gefärbt ist, jedoch gibt es auch hier bisweilen Ausnahmen. Davon abgesehen ist die abweichende Färbung der Wolle kein wirklich gewichtiges Kriterium. So bleiben als Argumente für die Abtrennung der Art nur die Unterschiede bei Sämlingen und Jungpflanzen. Ob diese allein ausreichen, um den Rang einer eigenen Art zu rechtfertigen, erscheint uns fraglich, zumal es dann inkonsequent ist, "E. saint-pieana" (und womöglich auch "E. aricensis") nicht ebenfalls wieder als eigene Art anzuerkennen. Vielleicht wäre es besser gewesen, Eulychnia taltalensis lediglich in den Rang einer Unterart von Eulychnia iquiquensis zu erheben. Dies wäre nämlich durchaus auch für "E. saint-pieana" angebracht, wodurch Eulychnia iquiquensis dann eine Aneinanderreihung mehrerer Unterarten wäre (ähnlich Copiapoa cinerea), welche wahrscheinlich die Entwicklung der Art entlang der chilenischen Küste besser wiederspiegeln würde, als die Anerkennung einzelner Arten oder das Auflösen sämtlicher Unterschiede in einer einzigen, variablen Art. Dies ist aber nur unsere persönliche Meinung. Hier behalten wir die Abtrennung von Eulychnia taltalensis (zunächst) bei - schließlich ist dies die derzeit gültige Nomenklatur, und wer weiß schon, ob wir mit unserer bescheidenen Meinung Recht haben. Die Bilder sind im Parque Nacional Pan de Azucar entstanden und zeigen "E. saint-pieana", die hier oft dicht mit Flechten behangen ist.

Literatur:

E. F. Anderson (2005), S. 286 f.; CSJ 4/2011, S. 169 ff.; E. Haustein (1998), S. 194 f.; D. Hunt (2006), S. 117 (Abb. 11.3; nicht Abb. 11.2, dies ist E. taltalensis); F. Ritter (1980), Band 3, S. 899 ff.;

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